Lulas WM: Kein Spaß, Leute!

Altar WM
Spielplan, Fan-Shirt, Offline-Notebook und was sonst noch nützlich ist. © Lula Witzescher

Morgen ist WM. Alle schreiben eine Vorschau. Ich nicht.

Mit Fleiß, Fachkenntnis und manchmal Unterstützung durch noch fachkundigere Fachleute werfen sie detaillierte, sezierende Blicke auf die anstehenden Partien, schätzen den bisherigen Saisonverlauf des Spielers, dividieren ihn durch subjektive Faktoren wie Körperhaltung und Haarfarbe, subtrahieren davon den momentanen Weltranglistenplatz und am Ende kommen Judd Trump, Ronnie O’Sullivan oder Ding Junhui als Weltmeister raus. Ich kann so etwas nicht. Dazu fehlt mir sowohl die Fachkenntnis als auch der Fleiß. Aber nach der WM die Vorschauen anderer zu lesen und zu sehen, wie sehr sie daneben gelegen haben, das macht mir großen Spaß.

Heute nachmittag hatten wir SnookerPRO-Menschen – sprich: Daniel und ich – natürlich auch einen E-Mail-Austausch darüber, wer wohl…und wer nicht. Wir haben rumgeeiert mit „würde ihm gönnen“, „würde ihm zutrauen“ und „könnte mir vorstellen“, ja sogar ein „wenn ich Geld setzen würde“ war dabei. Aber die einzige Aussage, die als festgeklopft gelten kann, war mein Finalspieltipp. In meinem Innersten hatte sich die Protagonistin meines depressiven Snookerromans „Belinda to break“ Belinda von Sillau geregt und hatte meine Finger auf der Tastatur gesteuert. Sie erinnerte sich an ein Spiel, dass sie auf einer Italienreise gesehen hatte und so etwas will sie offensichtlich wieder sehen.

Die fachkundigen Fachleute unter unserer geschätzten Leserschaft werden sicherlich problemlos herausfinden, welches Spiel sie zu meinem Finaltipp inspiriert hat.

Alles Wichtige, alle Spiele, alle Fakten findet ihr hier.

Belinda auf Reisen

In der nächsten Bäckerei bewaffnete sie sich mit einem Dutzend Dolce und freute sich auf einen schönen Resttag im Hotelzimmer. Fernsehen! Seit Pinar den Fernseher abgeschafft hatte, frönte sie dieser Sucht nur noch selten. Und jetzt hatte sie eine multinationale Superauswahl: Daily Soap auf Spanisch, dusselige Gameshow auf Italienisch, Nachrichten auf Englisch … wo sind denn hier die deutschsprachigen … ah da, ZDF, naja … ooooohhhh: Snooker auf Deutsch! Das ist ja toll. Und was sah sie: Es war WM! Sie war begeistert! Kaum hörte sie die Stimme des Kommentators, fühlte sie sich augenblicklich von einer schönen Erinnerung eingehüllt: Pinar und sie gemütlich Arm in Arm auf der Couch, die Stille im Zimmer nur selten unterbrochen durch einen Kommentar von Rolf Kalb. Kalb kommentierte nicht nur die laufenden Spiele, sondern warf mit ruhiger Stimme immer wieder Erläuterungen zu den Regeln ein. Er erklärte, dass eine Safety nicht etwa ein misslungener Stoß war (weil kein Ball gelocht wurde), sondern dass sie dazu gut war, den Spielball von anderen Bällen so verdeckt abzulegen, dass der Gegner möglichst keinen Ball lochen konnte. Ein Snooker bezeichnete eine verschärfte, sichere Stellung: Der Gegner konnte nur unter großen Schwierigkeiten regelgerecht weiterspielen und wenn es ihm nicht gelang, dann gab es ein Foul, das mit Punkten für den Gegner gezählt wurde. So konnte jeder Spieler durch gutes Stellungsspiel mehr Punkte holen, als noch an Ballwerten auf dem Tisch lagen. Sie kamen auch langsam dahinter, dass die farbigen Bälle alle einen anderen Punktwert hatten und immer auf ihre Markierungen zurückkehrten, solange noch rote auf dem Tisch waren. Die Roten waren einfacher: Sie zählten einen Punkt und verschwanden auf Nimmerwiedersehen, wenn sie gelocht wurden. So wurden sie Spezialistinnen im Snookergucken. weiterlesen

 

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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