Bericht von den Ruhr Open 2015

Alan McManus, Haikou World Open 2014
Alan McManus, Haikou World Open 2014 © Monique Limbos

Endlich wieder Snooker in Deutschland! Na gut, das Paul Hunter Classic ist noch gar nicht so lange her. Aber nach Ali Carters sensationellem Triumph und den guten Erfahrungen in Fürth konnte ich es kaum erwarten, den Stars der Szene wieder live bei der Arbeit zusehen zu dürfen. Da sind die Ruhr Open in Mülheim an gleichnamigem Fluss der ideale Nachschlag.

Oder doch Nachtisch? World Snooker warb kürzlich in einem Trailer für die „Rühr Open 2015“. Wie sich nun herausstelle, handelt es sich dabei nicht etwa um eine neue Nachmittagskochsendung im ZDF, sondern um erstklassigen Spitzensport. Also kein Lafer und auch kein Lichter, sondern eher Lawler und Lisowski. Und auch kein Lee – der wäre wohl ohnehin lieber in der Kochshow.

Nähern wir uns dem Ernst der Lage und somit der RWE Sporthalle in Mülheim. Bekanntlich kümmern sich Snooker-Boss Barry Hearn und sein Team um eine Reihe von Sportarten. Austragungsorte, die sich bewähren, finden oft auch weitere Verwendungen und so kann es nicht verwundern, dass nach der Etablierung eines Darts-Turniers an gleicher Stelle seit 2013 auch die European Tour von World Snooker hier Station macht. Die Ruhr Open, die zum dritten Mal ausgetragen werden, müssen sich allerdings wohl gleich wieder von der Tour verabschieden. Strukturveränderungen in der kommenden Saison sehen neue große Wettbewerbe vor. Dafür müssen kleinere European und Asian Tour Events weichen. Mülheim wird da sicherlich nicht mithalten können. Aus deutscher Sicht kann man schon froh sein, dass uns das Paul Hunter Classic auch in 2016 erhalten bleibt.

Beim Betreten der Arena am Freitag fiel mir zunächst ein Spiel besonders auf: Anthony McGill gegen Matthew Selt (weiß gar nicht so genau, warum …). War der Beginn doch eher durchwachsen, steigerte sich McGill im Matchverlauf und sicherte sich (u.a. mit Breaks von 76 und 78) den 4-2-Erfolg. Dabei ließ sich der Schotte auch nicht vom zwischenzeitlichen Verschwinden des Spielstandes auf dem Monitor ablenken. Am Nebentisch überzeugte unterdessen Robert Milkins mit einem zügigen 4-1 über Tom Ford (inkl. zwei Century Breaks).

Weiter ging es mit Andrew Higginson, der zwar vielversprechende Chancen zum 4-1 und 4-2 ausließ und im Decider gegen Jimmy Robertson zittern musste, letztlich aber das bessere Ende für sich hatte. Während Higgginson dann den starken Milkins ausschaltete, war für McGill das Turnier noch am Abend beendet. In einer Wiederauflage des WM-Achtelfinals gegen Mark Selby lieferte der Neu-Veganer dem Ex-Weltmeister erneut ein hartes Duell, musste sich aber im Entscheidungsframe geschlagen geben. Selby hatte in Runde 2 mit etwas Glück einen Decider gegen Robbie Williams überstanden, als dieser bei der versuchten Clearance beim Versenken von Blau auch eine Rote lochte und damit Snooker benötigte.

Für den Fehler des Tages sorgte der bemitleidenswerte Alfie Burden. Aus einer langwierigen Safetyschlacht auf Pink ging er zwar als Sieger hervor, nachdem seinem Gegner Mark King die Schwarze fiel. Nach Lochen von Pink verschoss Burden aber eine machbare Schwarze vom Spot zum vorzeitigen 4-1. Diese Last (engl.: „burden“) erwies sich als zu groß für seine Schultern. King drehte das Match und zog mit 4-3 in die nächste Runde ein. Zuvor hatte dieser übrigens mit der „Taxigate“ für Schlagzeilen gesorgt. Verwundert darüber, dass lange Taxifahrten auch entsprechend teurer werden, stelle King fest, dass sein Bargeld nicht zur Begleichung der Kosten ausreichte. Seine Rolex rettete ihn schließlich nach eigenen Angaben vor dem Anrücken der Ordnungshüter.

Fürth-Champion Carter verpasste in Mülheim die Komplettierung der inoffiziellen „German Triple Crown“, bestehend aus German Masters, Paul Hunter Classic und Ruhr Open. Hatte „The Captain“ gegen Marco Fu noch einen 0-2-Rückstand wettgemacht, sorgte ein gutaufgelegter Mark Davis für sein Aus in Mülheim. Damit ging auch die 100%-Erfolgsquote Carters bei meiner Anwesenheit zu Ende. Verpasst habe ich am Freitag im Übrigen die Auftritte von Stuart Bingham und Judd Trump. Beide waren bereits in der Auftaktrunde gescheitert. Aber bei insgesamt elf Tischen und Snooker ohne Pause von morgens bis abends tat dies der Stimmung keinen Abbruch.

Geschockt wurde am Samstag auch Neil Robertson. Der Australier musste James Cahill zum einem sensationellen 4-3-Erfolg gratulieren. Für den Negativhöhepunkt sorgte meines Erachtens Cao Yupeng. Der zuletzt formschwache Chinese zeigte bei seinem 0-4 gegen Stephen Maguire statt Einsatz nur Lustlosigkeit und Frust. Safeties, Long Pots und seltene Breakversuche gingen so überwiegend schief. Nicht einmal einen akzeptablen Anstoß bekam Cao auf die Reihe. Wenn er an dieser Einstellung festhält, wird das nichts mit dem Klassenerhalt am Saisonende. Sehenswertere Ansätze zeigte dagegen die irische Nachwuchshoffnung Josh Boileau. Die oft genial herausgespielten Chancen konnte der Amateur gegen Mark Allen aber nicht effektiv genug nutzen. Folgerichtig hatte er mit 2-4 gegen den abgezockteren Profi das Nachsehen.

Das absolute Highlight (wenn man so will) folgte in der Begegnung zwischen Alan McManus, Großmeister des taktischen Spiels, und einem nicht weniger an epischen Auseinandersetzungen interessierten Barry Pinches. Waren die ersten fünf Frames schon nichts für den Gegner des „slow play“ (davon melden sich zurzeit so einige lautstark zu Wort), setzte der sechste Durchgang dem Ganzen die Krone auf. Schlussendlich stand der Rekord für den längsten Frame der Geschichte des Profisnookers: 100 Minuten und 24 Sekunden ergab die offizielle Zeitmessung. Gewonnen hatte den Frame Pinches auf Schwarz zum 3-3-Ausgleich. Umsonst, wie sich herausstellte, denn McManus bewahrte die Ruhe und setzte sich nach knapp fünf Stunden Spielzeit mit 4-3 durch.

Die Strapazen dieser Erstrundenpartie stecke der Schotte dann mal eben ganz locker weg und gewann zwei weitere Spiele zum Einzug ins Achtelfinale. Dabei musste er gegen Maguire im Glasgower Stadtderby nach 1-3-Rückstand erneut in einen siebten Frame. Maguire, der gegen Michael White noch einen Decider überstanden hatte, musste sich der enormen Energieleistung seines Landsmannes beugen. Damit endete auch leider schon mein Kurzausflug zum Snooker, der sich mal wieder sehr gelohnt hat und potenziellen Nachahmern definitiv zu empfehlen ist.

AutorIn: Michael

Interessiert sich für Sport abseits des Mainstreams (überwiegend Snooker und andere Billardvarianten sowie Darts), gelegentlich aber auch für Bekannteres (wie Fußball). Versucht sich manchmal selbst daran (mit mäßigem Erfolg). Bevorzugt daher stundenlange Live-Übertragungen und Durchstöbern von altem Videomaterial, Büchern und Magazinen.

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Ein Gedanke zu „Bericht von den Ruhr Open 2015

  1. Birgit

    Danke für den leckeren Bericht. Ich habe das Finale mit den „unbekannten“ Gesichtern genossen und sie mir danke Eurer Spielerinfos bekannt gemacht.

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