Von Flüchen und Geld, Geld und Geld

Das Crucible in der Abenddämmerung. Seitlich davor sind ein paar Leute versammelt.
Das Crucible Theatre: Der verfluchte Ort während des Halbfinals © pingpinguin147

Die Halbfinalbegegnungen starten gemächlich. Nach der ersten Session steht es zwischen O’Sullivan und Zhao ausgeglichen 4−4 und Trump führt 5−3 gegen Williams. Zeit mal etwas auf Snooker-Geschichten abseits des Geschehens auf dem grünen Tisch zu werfen.

Flüche als unterhaltsamer kollektiver Aberglaube

Wenn die Weltmeisterschaft im Crucible anrollt ist ein Thema zumeist allgegenwärtig: der Crucible Curse. Und in diesem Jahr gab es (wie im letzten) mit Kyren Wilson erneut einen Anwärter diesen zu brechen. Doch Kyren Wilson ging es wie allen erstmaligen Titelverteidigern vor ihm: Aus in der ersten Runde, der Traum vom erneuten Titel geplatzt, der Fluch scheint fortzubestehen. Traurig nur für alle, dass das allem Anschein nach liebste Gesprächsthema von Journalist*innen und Fans damit schon an Tag 1 ein Ende fand.

Aber Sportbegeisterte sind ein sehr abergläubiges Völkchen. Es entsteht selten eine akute Fluchknappheit. Der Fluch der Generalprobe: Wer die Tour Championship vor der WM gewinnt, wird nicht Weltmeister. Auch das sollte sich wieder bewahrheiten. Für John Higgins war im Viertelfinale Schluss. Die Tour Championship gibt es erst seit 2019, der Fluch hat also noch keine lange Tradition. Aber dass sich Snookerprofis, die vermeintlich in Form mit einem Turniersieg im Rücken, bei der WM schwer tun, das ist schon länger so. Seit John Higgins 1998 konnte nur Mark Selby 2017 auf diese Weise Weltmeister werden.

Der gnadenlose Fluch des Ding Junhui

Das Gerede über Flüche finde ich ja meistens eher nervig. Bestenfalls lenkt es von noch nervigeren Gesprächspunkten (siehe nächster Absatz) ab. Aber der neuste Fluch macht mir persönlich Spaß. Vielleicht weil es mal was Anderes ist, oder vielleicht, weil er in kurzer Zeit schon sehr beeindruckend geworden ist. Der Tour Championship Fluch kann nur einmal pro Saison gebrochen werden, der Crucible Curse sogar noch seltener − der Ding-Fluch jedoch bei jedem Turnier, an dem Ding Junhui mitspielt.

Seit Februar 2024 rächt es sich ausnahmslos jedes Mal unmittelbar, wenn jemand Ding Junhui besiegt. Das darauffolgende Match endet immer in einer Niederlage. Luca Brecel leistete hier bei der WM zwar Widerstand, blieb jedoch erfolglos. Lang lebe der Ding Curse! Der schon zum Meme geworden ist:

Meme zum Ding Fluch. Ein ernster Ding Junhui oben meint: Mir ist es egal, ob du gewinnst. Ein lachender Ding Junhui unten ergänzt: Weil du das nächste Match verlieren wirst.

 

Angeblich juckt es Ding Junhui also nicht, ob sein Gegenüber gewinnt, weil sie*er im nächsten Spiel dann ohnehin verliert. Ich verstehe zwar nicht, was Ding davon haben sollte, aber schmunzeln muss ich doch.

Geld, Geld, Geld, Geld, Geld, Geld, Geld …

Eigentlich hatte ich mir geschworen, in meinem Artikel über Themen abseits des Sportlichen eine Sache dieses Jahr einfach mal gekonnt zu ignorieren. Und zwar das leidige Thema, ob die WM nun im Crucible Theatre bleibt oder umzieht. Ich kann es nicht mehr hören. Wem es auch so geht: Überspringt diesen Absatz einfach. Ich verrate euch die Antwort schnell: Wir wissen es immer noch nicht.

Barry Hearn (angeblich im Ruhestand) gibt also ein erneutes Update aus den Gesprächen mit dem Sheffield City Council: Sheffield liebt Snooker, wir lieben Sheffield. Wo liegt denn dann eigentlich das Problem, fragt man sich. Und die Antwort überrascht nicht, wenn man Barry Hearn schon kennt: Geld. Es braucht mehr Geld. Worldsnooker möchte mehr Geld durch Ticketverkäufe machen, damit das Preisgeld für die Teilnehmenden steige. So so.

Treffend kommentierte das Alan McManus für Eurosport: Es gäbe einen Zaun und man stehe entweder auf der Seite, dass man Verantwortung für die eigenen Taschen und derer anderer trage oder − und darauf komme es eigentlich an − dass man Verantwortung für den Sport übernehme. Shaun Murphy zeigte bei der BBC von Hearns Argumentation nicht überzeugt: Ticketverkäufe seien ja nur ein kleiner Teil der Einnahmen. Man könne höhere Preisgelder ja auch aus anderen Einnahmen finanzieren. Außerdem stünde noch ein großes Fragezeichen dahinter, ob man woanders überhaupt mehr Tickets als im Crucible Theatre verkaufen könne.

Reden wir mal über Regeln

Und wenn die Gesprächsthemen ausgehen, es aber noch so viele Sessions sind, bis die Halbfinals endlich in die Entscheidung gehen, kann man ja mal schnell ein paar Snookerprofis im Foyer nach ein paar möglichen Regeländerungen befragen. Und da gibt es ja immer die gleichen Diskussionen: Sollen die Spielenden noch um Foulpunkte weiter spielen dürfen, wenn nicht mehr genug Punkte auf dem Tisch liegen? Braucht es die Foul und Miss Regel noch? Wieso gibt’s kein Ball in Hand auf dem ganzen Tisch? Brauchen wir eine Shot-Clock? Müssen Snooker-Profis wirklich aufs Klo gehen? Und wann spielen wir endlich alle in Jogginghose?

Und weil es noch niemand vorher gemacht hat, hat Sporting Life diese Fragen mal Shaun Murphy (vom Team wir ändern alles), Barry Hawkins (vom Team wir ändern gar nichts), sowie Neil Robertson und Mark Selby (vom Team das ist jetzt aber eine schwierige Frage) gestellt:

Was die Mathematik zum Frameende sagt

Es ist ja bekannt, dass Shaun Murphy kein Freund davon ist, dass nach dem „Frameende“ noch um Snooker gespielt wird. Er hatte also die Gelegenheit seine Forderungen nochmal zu erneuern. Und was heißt eigentlich der Frame sei mathematisch vorbei? Solange da noch mehr als nur die Schwarze auf dem Tisch ist, kann der Frame doch noch immer 1001-1000 enden. Wenn das verwirrend ist, dann hört doch auf vom „Frameball“ zu sprechen und davon, dass der Frame gewonnen sei. Da kann er ja als Kommentator sogar selbst was zu beitragen.

Passend dazu spielte Murphy im Viertelfinal dann einmal selbst um fünf Snooker weiter. Um alle so abzunerven, dass sie ihm zustimmen? Er habe sich verrechnet, meinte er danach. Ich glaube ihm da sogar, aber es war schon irgendwie ironisch.

Wäre ich nicht schon Fan von Barry Hawkins, ich wäre es jetzt geworden. Foul und Miss Regel? Ja, die ist gut. Ball in Hand? Kein Fan davon. Shot-Clock? Darf beim Shoot Out bleiben. Da schlägt mein Snookerpuristinnen-Herz natürlich höher. Aber natürlich darf man solche Sachen mal hinterfragen oder vielleicht auch Neues ausprobieren. Insofern gut, dass es durch Robertson und Selby auch ein paar differenzierte Antworten gab.

Zurück zum Geschehen im Crucible Theatre

Aber die Geschichten der Flüche bei dieser WM sind erzählt, die Regeln stehen fest und zumindest dieses WM wird im Crucible Theatre zu Ende gehen. Damit können wir uns die letzten vier Tage aufs Sportliche fokussieren.

Die Halbfinals starteten gestern insofern optimal, als dass sie noch Luft nach oben ließen. Ronnie O’Sullivan und Zhao Xintong rasten nur so durch die Frames. Dabei spielten sie durchaus gute und hohe Breaks, streuten aber zwischendurch und gerade zu Framebeginn aber auch eine hohe Anzahl leichter Fehler ein. Kurz vor Ende des letzten Frames verabschiedete sich dann noch die Schiene einer Tasche und alle Bälle fielen mit einem krachenden Bums zu Boden. Zhao Xintong nahm es gelassen, lief im Parkour um die Bälle herum und spielte seine Clearance zum 4−4 zu Ende.

Am Abend dachten sich Judd Trump und Mark Williams: Was die anderen beiden können, das können wir auch. Also das mit den Flüchtigkeitsfehlern. Die durchschnittliche Dauer pro Frame lag bei den beiden wesentlich höher und insbesondere Judd Trump wollte das mit den flüssigen Breaks so gar nicht klappen. Der 5−3 Zwischenstand für Trump verspricht erstmal ein spannendes enges Match.

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

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