Hamilton-Hallworth: Ein sagenhaftes Kommzurück

Hamilton-Hallworth: die Fotos der beiden Spieler zusammengefügt
Hamilton und Hallworth lieferten uns einen sagenhaften Wettbewerb. © Zheng Zhai

Bei der Zweitrundenpartie von Anthony Hamilton gegen Steven Hallworth standen sich nicht nur Trainingspartner gegenüber, sondern auch die Lieblingsspieler zweier Mitglieder von SnookerPRO: Sascha und . Und sie haben sich alle Mühe gegeben, uns beide auf eine emotionale Achterbahn zu schicken.

Hamilton-Fan Sascha im Vorfeld leicht besorgt

Nun ist er also da. Der Tag, an dem Anthony Hamilton als Profi an den Tisch gehen könnte, um ihn als Amateur wieder zu verlassen. Dem Anlass entsprechend stand ich vor Matchbeginn vor dem PC, um inbrünstig die Englische Nationalhymne zu singen …

Das habe ich natürlich nicht gemacht. Aber so fühlte es sich an. Da ich Steven Hallworth noch nie habe spielen sehen, wusste ich nicht, was ich von ihm erwarten konnte. Aber die English Amateur Championship gewinnt man nicht, weil die Blumen dort so schön sind. Also erwartete ich auch angesichts der letzten Ergebnisse von Hamilton bestenfalls ein knappes Ergebnis. Vielleicht, wenn es gut läuft, mit nur zwei Frames Rückstand.

Hamilton-Fan Sascha ist … auf WESSEN SEITE?

Ich bin nervös als das Match beginnt. Die ersten acht Punkte gehen nach 2x Foul und Miss und der fälligen Frameverlustwarnung an Hallworth, dann erst kommt der erste geflukte Ball von Hamilton, zunächst noch ohne Anschluss. Als dann später doch noch 54 Punkte dazukommen, beruhige ich mich etwas. Erst recht, nachdem der Sheriff sich aus einem sehr gut gelegten Snooker über 5 Banden befreit und den Spielball sauber ablegt. Er kann es noch. *Phew*

Frame zwei war auch etwas grauslig anzuschauen. In meiner Wahrnehmung war Hallworth der bessere Spieler, nutzte aber die Fehler seines Gegners einfach nicht aus. Vermutlich wäre der Frame weniger zerfahren gewesen, wäre Hamilton bei einer etwas diffizilen Pinken nicht durchs Publikum gestört worden. Er verschoss, gewann am Ende dennoch den Frame. Ähnliches Bild in Frame drei. Spätestens jetzt ist klar: Hallworth spielt nicht so schlecht, wie das Ergebnis es ahnen lässt und Hamilton bei weitem nicht so gut. Lichtblick lediglich der Prä-Midsession-Frame. Hier halbglänzte der Mann aus Nottingham mit einem 87er Break.

War ich danach beruhigt? Du kannst schon Vier–Null führen und trotzdem noch verlieren. Also nein. Vor allem, weil das restliche Match ähnlich unflüssig lief. Und Hamilton durchaus Emotionen zeigte. Ich hab mir auch eine Szene im sechsten Frame wiederholt angeschaut: Nach dem Verschießen eines Balles glaube ich das F-Wort aus seinem Munde gehört zu haben.

Ganz andere Töne gab er deutlich hörbar immer wieder von sich, wenn er sich zum Stoß runterbeugte. Ganz offensichtlich ist Hamilton körperlich nicht gut beieinander. Altes Können blitzt nur gelegentlich auf. Vor allem am Anfang kamen auch lange Rote relativ zuverlässig.

War ich zum Session-Ende glücklich mit 8–0? Definitiv nicht. Und das schreibe ich nicht, weil Lula mit einer auf Zustechen ausgerichteten Gabel neben mir saß. (Tat Lula auch nicht 😉)  Ein 4–4 wäre fair gewesen. Mit einem 5–3 wäre ich zufrieden, mit einem 6–2 glücklich gewesen. Aber das 8–0 hat weder Aussagekraft, noch ist es leistungsgerecht. Ich hoffte sehr darauf, dass Steven zur Abendsession amtlich machen kann, dass er als ernstzunehmender Gegner am Tisch steht.

„Chancen erarbeiten, Chancen verschleudern“, denkt Lula

Mein Kollege Sascha sah offensichtlich zeitweise ein anderes Spiel als ich. Ich sah einen etwas defensiven, aber clever spielenden Hamilton, der Hallworth nicht viele leichte Einsteiger hinlegte. Dieser tat trotzdem sein Bestes – oder sowas ähnliches. Frame zwei dann so: mit Adlerauge eine Vier-Ball-Kombi aufspüren, wunderschön lochen, leichte Gelbe verschießen. Dann in Frame drei 9 Punkte und in Frame vier 0 Punkte spielen. Zack, 0–4.

Danach wurde es etwas besser. Hallworth verwandelte ein paar nicht so leichte Chancen, verdödelte dann aber Stellungen und lochte danach nicht. Die Frames wurden enger, aber eng verloren ist auch verloren. Zack, 0–8. Ja, das Zwischenergebnis spiegelte den Spielverlauf nicht korrekt. Aber Hamilton brachte seine über 40 Jahre Erfahrung extrem gut an den Tisch und Hallworth hatte absolut überhaupt kein winziges bisschen Glück. Alles, was auch nur unwahrscheinlichst schief gehen konnte, ging auch schief. Meinen Melissenteevorrat hatte ich schon um 14 Uhr aufgebraucht und wusste nicht, ob ich mir für den Abend ein Kommzurück oder ein kurzes, schmerzvolles Ende wünschen sollte.

„WAS WAR DAS????“ fragt sich Sascha

Die Abendsession begann und selbstverständlich hoffte ich darauf, dass Steven ein zwei drei Frames schafft, wenigstens in die Pause. Eine Vorahnung, was aber wirklich passieren würde, gab der Sheriff schon in Frame 9. Er machte das, was er leider sehr gut kann: Anschwingen, Spielball touchieren. Foul. Immerhin, das kostete ihn dieses Mal nicht den Frame und so stand es 9–0.

Was danach passierte? Darüber werden klügere Leute als ich schreiben. Beide spielten deutlich besser als in der vorangegangenen Session. Besonders Hallworth drehte endlich auf. Er hatte das schon ansatzweise in der vorigen Session gezeigt, aber JETZT wissen wir warum wir diesen Spieler auf der Rechnung haben müssen für die Zukunft.

Acht Frames in Folge. Eins zwei drei vier fünf sechs sieben ACHT, bei gutem, phasenweise SEHR gutem Spiel beider Spieler. Sowohl beim Lochen als auch beim Safespiel. Nicht fehlerlos, aber schön anzuschauen.

Ich hasse Whitewashes. Und 10–2 ist für mich auch ein Whitewash bei solchen Spieldistanzen. Also hab ich mich gefreut, dass es zum Midsession Interval kam. Das hatte Steven definitiv verdient. Und dann? Hat er einfach weitergespielt und gespielt und gespielt. Und wie knapp am Decider sind wir da vorbeigeschrammt? Wo ist Lulas Gabel? Ich brauch sie mal…MEINE NERVEN!!!!!EINSELF!!!!

Snookerinfo auf Social Media: Don't feather the white!

Am Ende bin ich fertig mit den Nerven. Ich habe NICHT das letzte Match von Anthony Hamilton als Profi gesehen. Das ist die gute Nachricht. Gegen Mathew Selt wird es in der nächsten Runde aber darauf ankommen, dass er seine Fehlerzahl massiv reduziert. Sonst wird das kein 10–8.

Chapeau Steven Hallworth. Ich verneige mich. Das war ganz großes Kino. Bitte mehr davon.

Und Lula? Träumte von Hamilton-Hallworth 9–10

Auch ich kann keine Einzelheiten der zweiten Session beschreiben. Der einzige bleibende Eindruck ist die Wandlung des Steven Hallworth, was Körpersprache, Locherfolg und Spielspaß betrifft. “Believe and you will achieve.” Steven hat das Familienmotto (Quelle Caroline Hallworth) bewiesen, auch wenn es am Ende nicht ganz gereicht hat. Gerne hätte ich natürlich das historische Kommzurück von 0–9 zum Sieg genommen. Aber ich kann auch damit leben, dass Hamilton jetzt noch eine Chance hat. Die hat er sich mit dem knallharten und matchentscheidenden Break auf Schwarz wirklich verdient.

@snookerbacker.bsky.social
It was the best match of the qualifiers so far.

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— Klára (@klara-t.bsky.social) 12. April 2025 um 10:25

Steven hatte uns vor dem Spiel kurz beschrieben, wie es ihm mit der bevorstehenden Partie ging. Angesichts des Ergebnisses musste er sich um Anthonys Tourkarte während des Spiels nur kurz keine Sorgen machen.

„Ich freue mich darauf, gegen Anthony zu spielen. Ich respektiere ihn sehr als Spieler und als Person. Er ist sehr erfahren, weil er schon so lange dabei ist. Also wird es ein schweres Spiel für mich. Aber ich freue mich auf die Herausforderung. Es ist eine gute Chance, mich mit jemandem wie Anthony zu messen, um zu sehen, wo ich mit meinem Spiel stehe.

Ich habe natürlich darüber nachgedacht, dass seine Tourkarte in Gefahr ist, aber ich war selber schon zweimal in derselben Situation. Es ist nicht schön, aber es ist auch nicht an mir, mir darüber einen Kopf zu machen. Ich bin hier, um Snooker zu spielen. Und hoffentlich liefern wir ein gutes Spiel ab und der bessere Spieler erreicht die nächste Runde.”

Und nach dem Spiel war das seine abschließende Bemerkung.

“That was a big effort. I’m exhausted. How good was Anthony’s clearance at the end all things considered. Pure class.”

Alle Partien, Spielzeiten und (Zwischen-)Ergebnisse findet ihr auf unserer Turnierseite.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. https://bsky.app/profile/lulawitzescher.bsky.social

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