Stuart Binham gewinnt die English Open, den Steve Davis Pokal und ein Preisgeld von £70 000. Mark Davis, der heute die Chance hatte, nach 27 Profijahren seinen ersten Weltranglistentitel zu gewinnen, musste zusehen, wie trotz starker Leistung sein Gegner Geld, Ruhm und Pokal mitnahm.
Ausgeglichener Nachmittag, spannender Abend
Schon die erste Spielhälfte bot alles, was ein nervenaufreibendes Match braucht: Zügige Breaks, lange Safety-Schlachten, exzellente Stöße, Kicks und Miscues, gutes Stellungsspiel, (un)glückliche Splits und tolle Recovery-Shots. Die beiden arbeiteten sich im Wechselschritt vor, nie war der Abstand zwischen beiden größer als ein Frame.
Stuart Bingham hatte anfangs die etwas größeren Breaks, während Mark Davis viel arbeiten musste und trotzdem nur wenig Punkte machte. Im sechsten Frame konnte er nur Blau für sein Break nutzen. Mit viel Geduld und Spucke und einigen tollen Bällen erarbeitete er sich ein 72er Break. Bingham legte im nächsten Frame mit einer zügigen 75 nach. Doch spätestens im letzten Frame der ersten Session sahen wir einen Mark Davis, der selbstbewusste Stöße machte, als sei er hier der Favorit. Der Lohn für sein mutiges Spiel war eine wunderbare 136 Total Clearance – das erste Century des Tages – und der 4–4-Ausgleich zur Pause.
Mark Davis machte am Abend einen ähnlich souveränen Eindruck wie im Halbfinale und hatte nach Gewinn des ersten Frames sogar die Chance, auf 6–4 zu erhöhen. Doch dann berührte er beim Anlauf zum Stoß die Weiße und zeigte das Foul, das niemand gesehen hatte, an. Bingham räumte ab und holte auch den nächsten Frame zur 6–5 Führung. Das Momentum hatte die Seite gewechselt. Auch wenn Mark Davis noch gute Breaks machte, es gelang ihm nicht mehr so viel wie vorher und er musste Bingham zum 9–7 Endstand davonziehen lassen.
Tränen bei der Siegerehrung
Bei den anschließenden Interviews war es nicht Mark Davis, der emotional wurde. Er machte sogar noch Witze. 27 Jahre habe er für sein erstes Finale gebraucht, wenn er für das zweite nochmal so lange brauchen würde, hätte er ein Problem. Er freute sich trotz der Niederlage über die großartige Erfahrung. “It wasn’t meant to be but I’ve had a great week. If you’d have given me the final before this week I’d have obviously taken it but once you get to the final, you want to win.” Er wollte aber nicht bestätigen, dass er ohne das Foul gewonnen hätte. Zumindest konnte er sich die peinliche Situation ersparen, die Ronnie O’Sullivan erlebte, als sein unbemerktes Foul im Viertelfinale erst nachträglich aufgedeckt wurde.
Fair play to Mark Davis, cracking jokes despite defeat in his first ranking final 👏👏👏#EnglishOpen #HomeOfSnooker pic.twitter.com/7zAL2zD0Gf
— Eurosport (@eurosport) October 21, 2018
Stuart Bingham war es dann, dem die Tränen kamen. Offensichtlich hat ihm seine Sperre doch ganz schön zugesetzt und er war sichtlich bewegt über seinen Erfolg nach den harten Monaten, die hinter ihm liegen. “It’s been a rocky road the last 18 months but I’ve had that self-belief.” Seine Einschätzung zu der Foulsituation: “We both started off slow today but we got going just before the break. At 5-4, what a big turning point, fair play to Mark for owning up. Had it been 6-4 I’d have been fearing the worst.”
Eine großartige Woche für Mark Davis
Auf dem Weg ins Finale besiegte Davis Robbie Williams, Adam Stefanov, Mei Xiwen, John Higgins, Ryan Day und Ronald O’Sullivan, Dabei gab er nie mehr als zwei Frames an den Gegner ab. Die meiste Aufmerksamkeit bekam natürlich sein 6–1-Halbfinal-Sieg gegen den Titelverteidiger O’Sullivan. Mark machte in der Partie 614 Punkte, Ronnie 176. Auch wenn das Volk mal wieder verschiedene Theorien hatte, warum O’Sullivan verloren hat (hatte keine Lust, Foul-Gate hat ihn rausgebracht, das Tuch war neu), habe ich einfach Mark Davis gewinnen sehen. Er nutzte seine Chancen, machte gute Breaks und spielte solide Safeties.
Ehrlich gesagt habe kann ich mich an keine ähnlich konstante und souveräne Performance von ihm erinnern. Er selber sagte in verschiedenen Interviews, dass er sich die ganze Woche schon „calm and focused“ fühlte.
Zum ersten Mal in seiner Profizeit waren auch seine Kinder beim Turnier auf der Tribüne. Mark hatte sich sehr darauf gefreut und es ist schön, dass er nun ausgerechnet in seinem „Heimturnier“ so eine Leistung zeigen konnte. Und schade, dass es nicht zum ganz großen Wurf reichte. Aber vielleicht hat das ja auch etwas Gutes: Solange er noch keinen Titel hat, wird er hoffentlich den Job noch nicht an den Nagel hängen.
Bingham solide ins Finale
Auch Stuart Bingham hatte eine solide Leistung während des Turniers gezeigt. Er gewann deutlich gegen Duane Jones, Hossein Vafaei, Ricky Walden und Ali Carter. Nur gegen Maximum-Mann Thepchaiya Un-Nooh, musste er in den Entscheidungsframe. Das Halbfinale gegen Stephen Maguire war zunächst ausgeglichen, doch dann gewann Bingham vier Frames in Folge zum Sieg. Das Spiel war mehr von Fehlern und Kampf und nicht von hohen Breaks gekennzeichnet.
English Open mit zwei Maximumbreaks
In dieser Saison ist es schon das zweite Turnier, in dem zwei 147 gespielt wurden. Erst machte Thepchaiya Un-Nooh sein Break perfekt, dann zog Ronnie O’Sullivan nach. Zu sehen hier und hier.