„Selby ist eine Anaconda“ – Der erste Finaltag

Higgins Finale WM2017
John Higgins kann sich alle andere als sicher fühlen. © World Snooker

Mit einer Führung von 10–7 ging John Higgins im Finale der Snooker-WM 2017 gegen Mark Selby in die Nachtruhe. Was heißt das für die verbleibenden zwei Finalsessions im Crucible Theatre am heutigen Montag?

Der „Underdog“ legt vor

Wie so oft bei diesem wichtigen Turnier ist das Finale kein Feuerwerk an Supersnooker, sondern eine etwas verkrampfte Sache. Mark Selby war vor dem Spiel bei vielen Leuten der Favorit. Doch war es John Higgins, der die erste Session mit 6–2 dominierte. Selby wirkte nervös und verfehlte Bälle, die er sonst im Schlaf versenken würde. Noch unsicherer wirkte er in seiner Paradedisziplin, dem Safety-Spiel. Ihm gelang hier wirklich nicht viel Ansehnliches und Effektives. Higgins spielte auch keinen Zaubersnooker, aber mit seinem vielzititierten C- und D-Game ist er eben auch in der Lage, die Frames zu gewinnen, wenn er nur mäßig spielt. Selby ist vielleicht auch der Druck anzumerken: Er ist hier als Titelträger ins Rennen gegangen und könnte diesen als (erst) vierter Spieler der neueren Snookergeschichte auch verteidigen (nach Steve Davis, Stephen Hendry und Ronald O’Sullivan).

Kommzurück von Selby am Abend

Doch die WM wäre nicht die WM und Selby wäre nicht Selby, wenn das Bild sich nahtlos so fortgesetzt hätte. Higgins, der hier seinerseits Ambitionen hat, sich in die Reihe der fünffachen Weltmeister einzureihen, fing am Abend an zu wackeln. Beim Stand von 10–4 verfehlte er Pink auf die Mitte und mensch muss keine Expertin zu sein, um zu sehen, dass das ein Wendepunkt im Spiel war. Selby holte sich die restlichen Frames der Session und geht mit dem historischen Spielstand von 10–7 in den heutigen Tag – mit demselben wie 2014, als er am Ende gegen O’Sullivan den Titel gewann. Wenn Higgins nicht zu etwas mehr Stabilität zurückfindet, dann wird Selby sich weiter heranschleichen und ihn in den Würgegriff nehmen.

Natürlich ist heute wieder der Einstieg in die Session sehr wichtig. Wer hier einen guten Start hinlegt, kann richtig ins Rollen kommen. Selby kann vielleicht seinen Lauf von gestern nahtlos fortsetzen. Gestern brauchte er allerdings nach seinem Auftaktframe zur zweiten Session einen zweiten Anlauf, bis das klappte. Higgins wird nach den drei verlorenen Frames in Reihe gestern Abend wahrscheinlich nicht so gut geschlafen haben, als wenn er mit einer größeren Führung oder einem Framegewinn in die Nachtruhe gegangen wäre. Ihm muss daran gelegen sein, Selbys Kommzurück hier so schnell wie möglich Einhalt zu gebieten.

Und unsere Vorhersage für nachher? Wir zitieren lieber einen Experten. Auf die Frage „Can you pick a winner?“ antwortete Angles McManus: „The short answer is: No. The long answer ist…“ Wir glauben, er redet zurzeit immer noch.

O’Sullivan war übrigens einer der wenigen, die nicht so überrascht vom Spielverlauf waren. Aus seiner persönlichen Erfahrung heraus forderte er auf, sich nicht nur das „große Bild der Statistik“ anzusehen (bisherige Erfolge, momentane Form), sondern die besondere Dynamik eines WM-Finales zu berücksichtigen. Wer sich seine Meinung anhören möchte, kann auf dieser Übersichtsseite alle Eurosport-Experten-Couch-Beiträge von gestern ansehen. Mit dabei natürlich auch Colin Murray, Neal Foulds, Jimmy White und der allgegenwärtige Alan McManus.

Das Finale geht um 15 Uhr weiter, die Abendsession beginnt um 20 Uhr.

Wir haben übrigens Final-Umfragen auf Twitter gesammelt. Hier kann mensch auch ohne Twitterkonto gucken, aber selber abzustimmen geht nur mit Anmeldung. Auch heute gab es noch neue Fragen: So wollte Rekordweltmeisterin Reanne Evans wissen, ob es heute Abend einen Entscheidungsframe gibt.


AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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