WM-Halbfinale: Selby-O’Sullivan und Wilson-McGill

Zwei alte Hasen und zwei nur relative Neulinge stehen im WM-Halbfinale. Mark Selby und Ronnie O’Sullivan bescheren uns eine Wiederauflage des 2014er Finales. Kyren Wilson steht durch seinen Sieg über Titelverteidiger Trump nach 2018 erneut im WM-Halbfinale. Und Anthony McGill genießt nach seinem bisher besten Ergebnis, dem Viertelfinale 2015, zum ersten Mal das One-Table-Set-up.

Kampf der Qualifikanten am Viertelfinalabend

Bei Maflin-McGill schien die Vorentscheidung schon in der zweiten Session gefallen zu sein. 6–10 lag der Norweger zu Beginn des Abends zurück. McGill vergrößerte gleich zu Beginn des Abends die Lücke durch eine 92. Doch Maflin gewann vier der nächsten fünf Frames und kam auf 10-12 heran. Besonders bemerkenswert war sein 81er Break im 22. Frame, nachdem McGill schon 50 Punkte vorgelegt hatte. Sein nervenstarkes Kommzurück wurde am Ende aber doch nicht belohnt. McGill ist mit diesem Sieg schon von Ranglistenplatz 39 auf die Nr. 22 vorgerückt.

Noch mehr Kampf auf dem Weg ins WM-Halbfinale

Im Spiel Mark Williams gegen Ronnie O’Sullivan stand es vor der letzten Session 8–8. O’Sullivan hatte vorher schon mit 2–7 zurückgelegen, sich aber mit Breaks von 112, 105, 74 und 54 auf ein Untentschieden herangekämpft. Auf dem Weg zum 9–9 machte beide absurde Fehler und es schien, als würde keiner von beiden den Frame oder das Match gewinnen wollen. Am Ende war es O’Sullivan, der den Frame holte. Williams ging mit 10–9 noch einmal in Führung, bevor O’Sullivan kurz richtig in Flow kam und mit zwei Centurybreaks und zwei 60+ Breaks zum 12–10 davonzog.

Im letzten Frame gab es dann nochmal alles, was das Snookerherz begehrt. Safety-Schlacht, ein von Williams angesagtes Foul, das niemand gesehen hat, schwierige Freeball-Entscheidung (kein Freeball, doch Freeball), verschossenen Frame- und Matchball von O’Sullivan, Mini-Kommzurück von Williams und eine Respottet Black. Die der Ronnie versenkte, nachdem der Mark sie ihm schön hingelegt hatte. Damit steht er zum ersten Mal seit dem verlorenen Finale 2014 wieder in einem WM-Halbfinale.

O’Sullivan könnte hier seinen sechsten Titel holen

Ich bin ja bekannt dafür, mich mit konkreten Vorhersagen zurückzuhalten. Aber nach dem, was ich in den letzten Tagen gesehen habe, treibt mich der Optimismus zu dieser gewagten Prognose. Und das ist nicht etwa wegen brillantem, überlegenem Spiel von O’Sullivan, sondern eher aufgrund des Gegenteils. Selten habe ich ihn so kämpfen sehen. Wir wissen ja, dass er eigentlich immer nur hübsch spielen will und dass ihm nach eigenen Aussagen Siege, Titel und so Zeug buchstäblich am Arsch vorbeigehen. Wir wissen auch, dass er nicht so gut darin ist, sich durchzubeißen und trotz grottiger Zwischeneinlagen die Contenance zu wahren.

Schon im Spiel gegen Ding konnten wir erst einen unsicheren und in der nächsten Session wie verwandelten Ronnie sehen. In diesem Spiel lief es ähnlich. Und heute Abend hat er sich wieder auch durch die zähen und die Slapstick-Frames gearbeitet, ohne den Fokus zu verlieren. Das ganze Gequatsche von ‚Mark Selby ist der Größte‘ und es wäre niemand mehr im Turnier, der ihn schlagen könnte … ja, wir wissen, was er da tut. Er redet sich selber schlecht, aber zum Glück glauben wir ihm ja nichts, was er so von sich gibt. Auch Ken Doherty im Studio lachte nur und sagte: „Ich weiß nicht, wovon er redet“, nachdem Ronnie über seine angeblich abhandene Cue-Action rumquakte.

Mark Selby relativ sicher ins WM-Halbfinale

Wenn ich vorher gefragt worden wäre, hätte ich sicher in dem Match Selby gegen Neil Robertson ein sehr knappes Resultat getippt. Doch Selby ging erstmal 5–0 in Führung, bevor Robertson mit drei Frames zum 5–3 Session-Endstand kontern konnte. Weiter ging es mit 8–4 und 11–5.

Am Ende gewann Selby mit 13–7 doch relativ deutlich. Leider konnte ich keinen Ball in diesem Spiel sehen. Kein einziges Century und viele knappe Frames deuten eher auf einen Arbeitssieg als auf einen gloreichen Durchmarsch hin. Dafür sprechen auch die relativ langen Stoßzeiten von 26 Sekunden (Selby) und 30,5 Sekunden (Robertson). Robertson sagte nach dem Spiel: „Mark’s defensive safety was unbelievable in the match. I was playing way too slow when I was getting my chances because I was playing safety for 20 minutes and when you get a chance it’s hard to switch into free-flowing scoring mode.“

Selby sagte zu seiner Formsteigerung: „I had got so used to winning tournaments that when I wasn’t winning tournaments it became very damaging to my confidence. I was happy with my performance against Neil. I felt if I got a chance I could score, and my safety play was back up with how it was a few years ago. As a matchplay game it was right up there with my best performances. I can see the changes already, especially in my body language, so long may it continue.“

Bei diesem Halbfinale bin ich wirklich absolut unentschieden. Wie immer habe ich die Hoffnung, dass Ronald noch einen Titel holt, um uns länger als aktiver Spieler erhalten zu bleiben. Ich glaube, dass er trotz gegenteiliger Behauptungen doch gerne die Rekorde von Steve Davis (6 Titel) und Stephen Hendry (7 Titel) einstellen würde. Andererseits mag ich das Spiel von Selby und ich bewundere seine Nervenstärke. Hier darf es gerne einen Decider geben.

Der Crucible Curse schlägt erneut zu

Wie schon neunzehn andere vor ihm, schaffte es auch Judd Trump nicht, seinen ersten WM-Titel im Folgejahr zu verteidigen. Kyren Wilson beendete die Hoffnungen auf einen erneuten Titelgewinn mit einem 13–9 und zieht damit in das zweite WM-Halbfinale seiner Karriere ein. Gegen Anthony McGill hat er mehr als realistische Chancen, zum ersten Mal das Finale zu erreichen.

Die ersten vier Frames hatten die beiden unter sich aufgeteilt, dann war Wilson 5–3 in Führung gegangen und hat diese bis zum Ende nicht mehr abgegeben. Trump machte zwar im 19. Frame noch eine 100, doch blieb er damit ein Century hinter Neil Robertsons Rekord von 103 Centuries in einer Saison.

Wilson-McGills erste Session startet um 14 Uhr, Selby-O’Sullivan beginnt um 20 Uhr. Alle Spiele, Spielzeiten und (Zwischen)Ergebnisse stehen auf unserer Turnierseite, die Sendezeiten auf Eurosport findet ihr hier.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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