Snooker-WM: Geht das Boot im Halbfinale unter?

Snooker-WM Halbfinale: Judd Trump führt 7-1 gegen Mark Williams
Hätten wir in der Höhe nicht erwartet. © World Snooker/Tai Chengzhe

Alternativ zum sinkenden Boot hätten wir beinahe auch nach einer vor dem Start im Hangar explodierten Rakete fragen können. Sowohl Mark ‚Team Float‘ Williams wie auch Ronnie „The Rocket“ O’Sullivan erwischten in der ersten Session ihrer Halbfinalspiele bei der Snooker-WM keinen guten Start. Aber die Rakete kam dann verspätet doch noch auf die Abschussrampe.

Williams sieht kein Land gegen Trump

Mark Williams liegt nach der ersten Session gegen ‚Baby Boy‘ Judd Trump mit 1–7 hinten. Trump spielte schöne lange Bälle, war aber auch nicht besonders brillant. Bei Williams lief anfangs gar nichts und später nicht viel mehr. Anschließend entschuldigte er sich: Sorry für die Performance, ich fürchte, es waren schwere Bedingungen … (oder so ähnlich). Was wohl heißen soll, dass er mehr mit dem Tisch als mit seinem Gegner gekämpft hat. 35% Locherfolg bei langen Bällen, das ist nicht gerade typisch für Mark Williams.

Manche mutmaßen, Williams hätte seinen Leistungs-Zenit bei der Snooker-WM schon im Spiel gegen Yan gehabt und würde jetzt schon wieder abbauen. Während Judd Trump sich immer noch steigert. Natürlich ist hier der Keks noch nicht gegessen. Immerhin hat das Best-of-33-Halbfinale vier Sessions, da kannste schon mal eine vergurken. Hier wird die zweite Session morgen um 11 Uhr ausschlaggebend sein. Wenn Williams diese Session nicht möglichst deutlich gewinnt, wird sein Boot vielleicht noch nicht untergegangen, aber zumindest schon ohne ihn abgefahren sein.

The Rocket und The Wizard auf Augenhöhe

John Higgins startete mit einer besseren Chancenverwertung in den Abend und – Zack! – führte er 3–0. Die verhergesagte Müdigkeit vom Viertelfinale gegen Lisowski war ihm nicht unbedingt anzumerken. Dafür sahen wir bei O’Sullivan schon die ersten Frustreaktionen ob des seltsam reagierenden Tisches. Erst im vierten Frame bekam Ronald Antonio einen Fuß in die Tür und verkürzte mit 70er Break auf 3–1. Nach der Pause rollte er weiter, erst zum 3–2, dann zum Ausgleich. Dabei machte er sein 1162. Karriere-Century.

Im siebten Frame hatte O’Sullivan wieder die Nase vorn, aber Higgins schnappte ihm den Frame noch vor derselben weg. Beim letzten Frame der Session schaffte O’Sullivan erneut mit Century den Ausgleich zum 4–4.

Der Ronald wird ja auch dauernd gefragt, was die ‚Class of ’92‘ denn so gut mache. Wahlweise sagt er einfach „Keine Ahnung“ oder er saugt sich etwas aus dem Finger, was von Mal zu Mal variiert. Heute sagte er vor dem Spiel: Erfahrung hilft dir, dich ab und an neu zu erfinden. Ich muss sagen, das könnte hier in der Tat sein Erfolgsrezept sein.

Higgins und er spielen morgen um 15:30 Uhr ihre zweite und Samstag die dritte und vierte Session.

Kollegin Målin tweetete übrigens zwischendurch eine perfekte Analyse. Warum schreibt SIE eigentlich nicht diesen Artikel?!

Ist diese Snooker-WM langweilig oder aufregend?

Es gibt ganz klar unterschiedliche Fraktionen, was dieses Halbfinal-Line-Up betrifft. Die einen baden in ihrer ‚Class of 92‘-Nostalgie und freuen sich nen Arsch ab, dass wir nach 23 Jahren wieder Williams, Higgins und O’Sulliivan beim One-Table-Set-Up haben. Stephen Hendry und Ken Doherty zum Beispiel haben Gänsehaut und sprechen vom besten Semi-Final, das wir jemals hatten. Auch Angles McManus meint, er könne sich Snooker ohne die großen Drei nicht vorstellen.

Judd Trump wird bei vielen sogar in der Aufzählung der Halbfinalisten der Snooker-WM gar nicht erst erwähnt und er selber wundert sich, wie er mitten in eine Senioren-WM geraten ist. Doch nicht alle können sich darüber freuen, dass wir hier nach 30 Jahren immer noch dieselben Aktiven am Tisch zu sehen bekommen. Die ein oder andere Stimme sagt, dass das irgendwie langweilig sei.

Ich selber bin ein bisschen hin- und hergerissen. Mir ist es ja grundsätzlich ziemlich wurscht, wer am Tisch steht. Hauptsache, das Spiel ist unterhaltsam. Und ob die Leute jung oder alt, erfahren oder unerfahren, bekannt oder unbekannt sind, sind nicht die Kriterien, nach denen ich Spiele als besser oder schlechter bewerte. Ich sehe einen Mark Williams oder Ronald O’Sullivan in Form immer noch gerne.

Aber ich würde trotzdem gerne junge Spieler*innen bei der WM als Hauptpersonen und nicht nur als Nebenfiguren sehen. Denn wir brauchen langsam mal eine breitere Masse an ernstzunehmendem Nachwuchs, der uns in den kommenden Jahren mit hochqualitativem Snooker versorgen kann. Ich hätte gerne Zhao Xintong, Mark Selby (oder Yan Bingtao), Kyren Wilson und Judd Trump (oder Mark Allen) im Halbfinale gehabt.

Hier gibt es die Übersicht über die Sessions und (Zwischen)Ergebnisse.

Q-School Spielplan veröffentlicht

Heute wurden die Ansetzungen für die diesjährige Q-School veröffentlicht. Simon Lichtenberg ist nicht dabei, aber Lukas Kleckers versucht, auf diesem Weg direkt nach seinem Herunterfallen auf die Tour zurückzukommen. Wir alle vom Team #PeopleStaringAtLiveScores (oder #PeopleWhoStareAtLiveScores) freuen uns schon ungemein.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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Ein Gedanke zu „Snooker-WM: Geht das Boot im Halbfinale unter?

  1. Sven Glückspils

    Spricht ja nicht gerade für den Nachwuchs, wenn die “ Alten “ so gut vertreten sind. Und wenn man sich so einige Spiele ansieht, wo der Nachwuchs mehr überlegt als spielt, wird sich das so schnell auch nicht ändern.

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