Schönheit vor Alter: Selby gewinnt Duell der Generationen

Selby Trophäe WM2017
Mark Selby darf zum dritten Mal den Silbertopf mitnehmen. © World Snooker

In einem von mehr Kampf als Glanz geprägten Finale besiegt Mark Selby John Higgins mit 18–15 und holt sich seinen dritten Titel. Neben dem Pott nimmt er £375.000 mit. Dem unterlegenen bleiben immerhin noch £160.000 und der Weltranlistenplatz zwei. Selby hatte sich schon vor dem Finale seinen Weltranglistenplatz eins gesichert.

Außerdem hat er endlich den China-Open-Fluch gebrochen, der besagte, dass der China-Open-Champion nie Weltmeister wird.

Der Nachmittag stellte das Spiel auf den Kopf

Wie wir hier schon angedeutet hatten, ging es in der ersten Session des Tages um einen guten Start und den erwischte auf keinen Fall John Higgins. Von den sieben Frames, die in dieser aus Zeitgründen verkürzten Session gespielt wurden, konnter er gerade mal einen einzigen holen. Selby setzte seine Siegesserie vom Vorabend fort, gewann die beiden ersten zerhackten Frames und verkürzte auf 9–10. Im nächsten Frame machte sich der buchstäbliche Respekt vor dem Ausgleich durch Unsicherheiten bei Selby bemerkbar und Higgins konnte wieder einen Zwei-Frame-Vorsprung bauen. Doch bis zum Ende zeigte Selby deutlich verbesserte Safeties, während bei Higgins die Lochquote sank. Higgins gestern so deutlich gezeigte Fähigkeit, knappe Frames trotz mäßigen Spiels zu gewinnen, konnte er heute nicht zeigen. Auch die langen Bälle, die ihn gestern immer wieder ins Break gebracht haben, fielen nicht mehr. Endergebnis der Sitzung war ein 13–11.

Snooker-Theater vom Feinsten am Abend

Die letzte Session ist bei den Spielern von dem Wissen geprägt, dass sie zum letzten Mal am Tisch stehen und es keine nächste Session mehr gibt, vor deren Beginn sie sich vorher nochmal sammeln können. Dementsprechend traten sowohl Selby wie auch Higgins hier auf. Beiden war der Siegeswille anzumerken, doch war es Selby, der das Ergebnis auf den Tisch brachte. Bei ihm war das Safety-Spiel wieder vollends auf der Höhe und er ließ Higgins viel weniger Chancen als gestern. Dieser spielte einige für ihn ungewönliche Stöße, leider ohne Erfolg. So konnte Selby mit genau dem Spiel, das ihn zur Nr. 1 der Weltrangliste macht, auf 16–12 davonziehen.

Higgins beißt zurück

Wer glaubte, dass sich zum Ende hin Higgins fortgeschrittenes Alter bemerkbar machen würde, wurde eines Besseren belehrt. Nach der Pause bot er erst ein eindrucksvolles 88er Break zum 16–13 und zwang im nächsten Frame Selby mit einer exzellenten Safety zum Fehler, den er zu einem Century nutzte. Im nächsten Frame führte dann ein Foul zu Aufregung und wilder Diskussion: Hat der Spielball, als Selby ihn zur Safety ranrollen wollte, Schwarz berührt oder nicht? Schiedsrichter Jan Verhaas sagte: Nein. Higgins holte sich den Frame anschließend und es stand nur noch 16–15 für Selby.

Es war zu sehen, dass Selby mit der Entscheidung haderte. Doch der Mann ohne Nerven konnte sich schnell wieder fangen und mit einem mutigen Einsteiger ebnete er sich den Weg für eine 131 zum Gewinn des 32. Frame. Nicht ohne, dass es vorher ein Re-Rack gab, was für ein Selby-Spiel ja irgendwie dazu gehört. Im letzten Frame gab es dann noch ein kurioses Foul auf Grün, einen beherzten aber missglückten Double-Versuch von Higgins, einen mutigen Einsteiger von ihm und doch war es Selby, der sich aus dem verkrumpelten Bild das spielentscheidende Break zusammenkratzte.

„Ich kann es noch nicht glauben, ich muss mich immer noch kneifen. Es bedeutet mir alles.“ Neben Freude und Erleichterung fand er noch viele freundliche Worte für seinen Gegner, dem er großen Respekt zollte. „John ist ein großartiger Kerl, am und jenseits des Tisches.“

Higgins sagte: „Mark ist absolut aus Granit. Er räumt auch unter dem größten Druck noch ab und er ist ein fantastischer Champion. Ich hatte meine Chancen. Ich habe alles gegeben und bin stolz auf mich. Aber Mark war einfach zu gut.“

Stimmen aus dem Snooker-Lager

Und wer jetzt noch nicht genug hat oder nach dieser langen, wundervollen Weltmeisterschaft die Droge langsam ausschleichen muss, kann mit den gesammelten Expertenvideos der Eurosport-Couch abtrainieren.

An dieser Stelle möchten wir unserer Leserschaft ganz herlichen Dank sagen. Ohne euer Interesse wäre unsere Arbeit sinnlos.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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4 Gedanken zu „Schönheit vor Alter: Selby gewinnt Duell der Generationen

  1. Dieter

    Tolle WM, ein würdiger Sieger! Tolle Duelle, z.B. Ding vs. Selby …

    Mir persönlich bereitete aber bei dieser WM am meisten Freude, dass Rory McLeod nicht über die Runde der letzten 16 hinaus kam.
    Das ist nicht in Rassismus begründet, im Gegenteil: Als ich hörte, dass er sich aus religiösen Gründen weigerte, der Schiedsrichterin die Hand zu schütteln, konnte ich nicht umhin, ihm ein frühzeitiges Ausscheiden zu „wünschen“, obwohl mein Herz sonst immer für die Underdogs schlägt.
    Snooker ist ein zivilisiertes Spiel, auch heute noch inszeniert im Geiste von Fair Play und Noblesse (trotz der enormen Geldbeträge). Wer sich hieran beteiligt, sollte sich entsprechend gentleman-/lady-like verhalten, und wer einer absurden, frauenverachtenden Geisteshaltung anhängt, hat da meines Erachtens kaum etwas verloren.
    Zudem verlangt nur eine sehr radikale Auslegung des Islam dieses Verhalten, und dies will und kann ich nicht akzeptieren …
    Wenn Mr. McLeod beim nächsten Turnier auf eine Qualifikantin trifft, wie verhält es sich dann? Würde er mit Sanktionen rechnen müssen, wenn er den Handschlag mit einer Gegnerin verweigert?

  2. Lula Witzescher Artikelautor

    Dein Kommentar gibt mir zu denken, ob ich den von mir geplanten und wieder verworfenen Artikel zu diesem Thema nicht doch noch schreiben muss. Ich kann den Kommentar nicht einfach so stehen lassen, denn mir stellen sich beim Lesen die Nackenhaare hoch. Ich finde es bedenklich, das mir aus verschiedenen Richtungen Meinungen entgegenkommen, die vordergründing die Gleichberechtigung von Frauen und den Respekt ihnen gegenüber thematisieren, im gleichen Atemzug aber eine pauschalierte antiislamische Botschaft senden. Mir drängt sich die Frage auf, welche der Botschaften denn eigentlich die zentrale ist. Dient der Verweis auf die „Respektlosigkeit“ vielleicht eher als Deckmantel, um mal wieder den eigenen Anspruch zu formulieren, dass „andere“ sich an „uns“ anzupassen haben?

    Du siehst im Islam also eine „absurde, frauenverachtende Geisteshaltung“? Ich weiß, es ist momentan nicht so populär, auf Islamophobie oder besser Islamhass hinzweisen, weil mensch Gefahr läuft, gleich als Terrorist*in bezeichnet zu werden. Ich tue es trotzdem. In dem Land, in dem ich lebe, herrscht Religionsfreiheit und auch in diesem Blog gelten diese Gesetze. Und du sagst: „dies will und kann ich nicht akzeptieren …“. Du sprichst von „zivilisiert“ und trittst die Errungenschaften unserer Zivilisation – zum Beispiel Toleranz und Respekt anderen gegenüber – mit Füßen. Das kann und will ich nicht akzeptieren.

    Für McLeod gilt übrigens eine Ausnahme, was den Handshake betrifft. (So wie der Erlass des Fliegenzwangs für Ford und Maguire). Tatjana Woollaston, eine Schiedsrichterin, die schon häufiger Spiele von McLeod geschiedst hat, bestätigte übrigens, dass er sich ihr gegenüber immer respektvoll verhält. Statt mit Handschlag begrüßte er sie mit einem Kopfnicken. Das als angemessene Begrüßung zu akzeptieren, so viel Flexibilität sollte es auch und gerade im Gentlemen-Sport geben.

  3. Dieter

    Ich finde es schade, dass Sie meine Meinung als islamophob interpretieren. ich bin genauso gegen Hinduismus, Christentum, das Leitkulturgeschwurbel von de Maziere, …
    Zu pauschalisieren, dass ich den Islam als solches für absurd und frauenverachtend halte, weil ich das in meinen Augen extreme Verhalten eines einzelnen Anhängers nicht akzepieren möchte, ist nicht in angebracht.
    Meine Regel lautet: Keine Toleranz der Intoleranz gegenüber, und ich finde dass dies meinen Standpunkt zu Herrn McLeods Verhalten gut beschreibt.
    Desweiteren vergleichen Sie Äpfel mit Birnen: Eine Dispenz aus medizinischen Gründen mit selbstgewählten Verhalten.
    Aber kein Problem: Sie haben Ihre Meinung, ich die meine; dabei wird’s wohl auch bleiben.
    Ich werde Sie auch nicht mehr mit dieser belästigen.
    AFK

  4. Lula Witzescher Artikelautor

    Da Sie in meinem Blog diese Diskussion begonnen haben, würde ich Sie ganz gerne weiter mit meiner Meinung behelligen.

    Ja, das ist natürlich ein Argument: Ihre Meinung kann ja gar nicht islamophob sein, weil Sie andere Religionen und Einstellungen genauso ablehnen! Das nenn ich ganz ausgezeichnete Dialektik. *Ironie off*

    Sie haben allerdings recht, ich habe Sie tatsächlich falsch verstanden, da ich Ihren Gebrauch von „Geisteshaltung“ nicht als seine individuelle Haltung, sondern als „an den Islam glaubend“ interpretiert habe. Mein Fehler.

    Aber trotzdem: McLeods Verhalten als „Intoleranz“ zu bezeichnen, ist schon ein bisschen gewagt, oder? Sie können sein Verhalten ja blöd oder unangemessen finden, aber da tut sich mir dann doch die Frage auf, wer hier intolerant ist. Die Ablehnung der körperlichen Berührung des anderen Geschlechts außerhalb von Ehe oder Verwandtschaft wird durchaus auch innerhalb der islamischen Gemeinde kontrovers diskutiert. Es gibt sicher auch Stimmen, die das als überflüssig / nicht wirklich im Islam vorgeschrieben / für nicht zeitgemäß etc. halten. Und doch bin ich der Meinung, dass daraus nicht generell Respektlosigkeit gegenüber Frauen geschlussfolgert werden kann und deshalb auch nicht sollte.

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