Ronnie O’Sullivan–Judd Trump: Snooker-WM Traumfinale?

Finale der Snooker-WM zwischen Ronnie O'Sullivan und Judd Trump
Endlich mal wieder ein Finale der Generationen ... © World Snooker/Tai Chengzhe

Ronnie O’Sullivan und Judd Trump stehen sich im Finale der Snooker-WM 2022 gegenüber. Viele, allen voran Judd selber, haben von dieser Finalpaarung geträumt. Mir ging es anders, aber mein Traumfinale Zhao gegen Gilbert war offensichtlich nicht mehrheitsfähig. Vielleicht liegt das an dem Effekt, dass Leute das Bekannte automatisch besser finden, auch wenn es gar nicht besser ist. Also lieber zum 100. Mal die üblichen Verdächtigen sehen als unbekanntere Spieler. Das ist ja auch beim Eurovision-Song-Contest so. Je bekannter dir die Sachen sind, desto besser findest du sie. Was bei der ersten Performance noch furchtbar klang, wird im dritten Kurz-Durchlauf fast schon erträglich.

Aber wir sprechen ja vom WM-Finale. Der Vergleich hinkt also nicht nur, sondern er ist schon umgefallen und liegt auf der Nase. Denn hier entscheidet nicht das Publikum, wer im Finale steht, sondern wer die meisten Spiele gewonnen hat. Und in der Vergangenheit haben wir ja auch schon schöne Finale zwischen den beiden gehabt. Also wird es auf alle Fälle weniger qualvoll als der ESC. Die Nr. 1 auf der Liste vom Kollegen ist auch meine schönste Erinnerung: Das Finale der UK Championship, das bis in den Decider ging. Ein gutes Omen?!

Mehr oder weniger Enttäuschung im Halbfinale

Nachdem wir im Halbfinale einen hohen Altersdurchschnitt hatten, bin ich persönlich ganz erleichtert, dass es der Baby Boy ins Finale der Snooker-WM geschafft hat. Auch wenn das Ausscheiden von Mark Williams etwas tragisch war, nachdem er so ein großartiges Kommzurück hingelegt hatte. Er selber drückte es gewohnt blumig aus, fand aber, dass Judd den Sieg verdient hat. Und zog durchaus positiv Bilanz.

Offensichtlich im Gegensatz zu John Higgins. Der schied zwar wesentlich deutlicher gegen Ronnie O’Sullivan aus, war aber trotzdem extrem „disappointed“.

Was sagen die Finalisten?

Ronnie sieht es so: „Wir haben eine Menge guter Matches gespielt. Ins WM-Finale zu kommen, ohne dein bestes Snooker gespielt zu haben: darum geht es. Das macht einen großen Spieler aus. Er wird eine harte Nuss werden.“

Judd vermutet, dass es ein episches Finale werden wird. Er ist der Meinung, dass sein bestes Snooker so langsam in Sichtweite ist.

Was erwartet uns im Finale der Snooker-WM?

Dass sowohl O’Sullivan wie auch Trump gerne Frames in einem Rutsch gewinnen, verspricht natürlich ein Breakfestival. Es steht nicht zu befürchten, dass sie hier ewig rummurmeln und sich festspielen. O’Sullivan hätte hier auch noch die (schwache) Möglichkeit, den Rekord für die meisten Centuries eines Spielers bei einer WM im Crucible zu knacken (momentan: 16, O’Sullivan 12). Dafür müsste er sich aber ganz schön anstrengen.

Auf alle Fälle wird der Sieger am Ende nicht nur Weltmeister und um eine halbe Million Pfund reicher sein, sondern auch noch die Nr. 1 der Weltrangliste.

Wachablösung oder Titelrekord?

Trump, Weltmeister von 2019, macht mir nicht den Eindruck, als wäre er besonders ehrfürchtig und würde sich wie andere Spieler von O’Sullivan einschüchtern lassen. Doch sein Aufatmer im Entscheidungsframe gegen Williams hat uns gezeigt, wie wichtig ihm der Erfolg hier ist. Er hat nicht mehr den Druck, beweisen zu müssen, dass er den Titel holen kann. Aber es wäre natürlich schön, wenn er dem ersten einen zweiten Titel hinzufügen könnte und endlich seine Position in der ewigen Bestenliste behaupten könnte. Und damit er nicht wie Shaun Murphy als One-Hit-Wonder in die Geschichte eingeht.

Für Ronnie O’Sullivan geht es hier ja nicht um viel. Titel sind ihm nicht so wichtig. Hauptsache, er spielt hübsch und genießt das Ganze. Ok, wer’s glaubt wird selig. Wenn ich mir sein Grinsen in diesem Interview angucke, dann ist er ziemlich heiß darauf, hier den 7. WM-Titel zu holen. Das würde auch ihm in der ewigen Bestenliste endlich einen unanfechtbaren Platz bescheren. Und diesen Kerl, der da hauptsächlich noch wegen seines WM-Rekordes steht, endlich vom Thron schubsen.

Da mir Letzteres wirklich am Herzen liegt, gebe ich ausnahmsweise mal einen Tipp ab. Und Kollegin Målin macht mit.
Lula: Ronnie O’Sullivan 18–15 Judd Trump
Målin: Judd Trump 18–15 Ronnie O’Sullivan

Am Sonntag und Montag werden die Sessions jeweils um 14 und 20 Uhr gespielt. Finalschiedsrichter ist Olivier Marteel. Den Überblick über den Zwischenstand im Finale behaltet ihr hier auf unserer Seite zur Snooker WM.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

SnookerPRO folgen