Well (s)potted: Lulas WM-Gedanken (9)

RoS
So ein Gesicht machten wahrscheinlich auch die Zuschauer ob des Auftritts von Herrn O'Sullivan (hier bei den Champion of Champions 2013) Foto © Monique Limbos © Monique Limbos

Wird die WM abgebrochen?

Ich persönlich hatte heute einen relativ ruhigen Tag. Das einzige Spiel, wo ich wirklich emotional involviert bin, hatte heute die erste Session und dementsprechend ist noch alles offen. Ich weiß schon, warum ich Fan von den soliden – böse Zungen sagen: langweiligen – Spielern bin. Alan McManus zeigte ein glänzendes Snooker, wie gewohnt mit viel Geduld und Spucke, garniert mit einem Century und einigen gewinnbringenden Snookern. Ken Doherty gewann zwar den ziemlich zerhackten Auftaktframe, kam aber wie im letzten Spiel trotzdem schwer in die Gänge. Die nächsten vier Frames sackte McMan mit Breaks von 69, 107 und 71 ein. Die letzten beiden Frames der Session kratzte sich Doherty zusammen, bevor die Partie vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde, um für die Abendsessions Platz zu machen. Deshalb steht es hier erst 4:3.

Abends sah ich Mark Selby mit der nicht gerade größten Glanzleistung seines Lebens ins Viertelfinale einziehen. Aber ich zweifelte zwischenzeitlich nicht daran, dass er Ali Carter besiegen würde, machte er doch den stabileren Eindruck. Selby startete mit dem Gewinn von drei Frames in die Session und ich rechnete nicht mehr mit einem Midsession Interval. Am Ende hat er sich zwar wieder unnötig schwer getan und sich vor dem Matchgewinn noch zwei Frames von Carter abnehmen lassen, aber mit dem 22. Frame gewann er endlich den Finalframe.

Das Spiel Walden-Hawkins habe ich gar nicht gesehen. Aber Schlimmes darüber gehört. Da bette ich lieber den Mantel des Schweigens darüber.

Der Tag, den ich also recht gelassen verbrachte, erlebte dafür an anderer Stelle die große Aufregung. „Ronnie O’Sullivan hier, Ronnie O’Sullivan da, Ronnie O’Sullivan raus.“ So ging es den ganzen Tag. Da bei mir das Parallelspiel lief, habe ich nur eine Handvoll Bälle von Perry und dem Ex-Titelfavoriten in spe gesehen, aber ich sah die Quoten zu Perry rüberschwingen, vernahm im Netz dringliche Aufrufe zum Gebet für den Unberechenbaren, ich sah Fragen wie: „Bekommt Ronnie O’Sullivan eine Wildcard für die nächste Runde, wenn er gegen Perry verliert?“ und ich frage mich angesichts des einseitigen Interesses langsam wirklich: Wird die WM einfach abgebrochen, wenn Perry gewinnt? Wen interessiert es denn eigentlich, wer dann Snooker-Weltmeister wird?

Mir ist es ja ein bisschen rätselhaft, wie man eine Sportart derartig auf eine Person konzentrieren kann. Im Dunstkreis der German Masters z.B. gab es im Tagesspiegel drei Berichte: einen über Barry Hearn, einen über Rolf Kalb und einen über Ronnie O’Sullivan. Am Ende gab es eine kurze Notiz über den Titelgewinner Ding. Es wird also lieber über einen Spieler berichtet, der nicht einmal teilnimmt/teilnehmen wollte, als über die Menschen, die diese Veranstaltung zu dem machen, was sie sein sollte: zu einem spannenden Wettkampf mit vielen verschiedenen Spielern. Es ist schon recht peinlich, dass nicht EIN Name eines teilnehmenden Spielers gefallen ist. Aber ich erlebe das Interesse leider genau so: Alles, wo Herr Rakete abgebildet und erwähnt ist, wird geklickt, geliked, retweetet etc. Alles andere wird am Rande freundlicherweise mal gestreift.

Ach, übrigens: Mark Allen leidet auch an Depressionen und kann sich gut danebenbenehmen. Mark Kings Mutter sitzt wegen Mordes im Knast und es findet sich bestimmt noch der ein oder andere, der sich mit seiner Frau geprügelt hat, bis die Polizei kam. Despektierliche Bemerkungen auf Pressekonferenzen kann auch ein Ding Junhui machen und Shaun Murphy kann ganz gut andere Spieler wegen irgendetwas anschwärzen. Ihr seht, es gibt immer Alternativen!

Allerdings muss ich gestehen, dass ich vielleicht doch mehr Verständnis für diese Besessenheit von diesem Spieler habe, als ich zugeben mag. Hat doch die Protagonistin meines Romans Belinda to break eine sehr obsessive Beziehung zu einem Snookerspieler. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind natürlich nicht beabsichtigt und wären rein zufällig. Doch lest selbst:

»Belinda nutzte die Pause, um unter die Dusche zu springen und verpasste deswegen die Vorschau auf das nächste Spiel. Sie stand gerade nackt vor dem Spiegel und föhnte sich die Haare, als die überschwängliche Ansage des Moderators im Crucible Theatre ertönte. Sofort wusste sie Bescheid: Robert Haynes was on his way! Das war ja ein absoluter Glückstag. Belinda schaltete den Föhn aus uns beeilte sich, vor den Fernseher zu kommen. Sie schwang sich ins Bett und genoss ihre Freude, Haynes wiederzusehen. Ihr kam es vor, als wären sie alte Bekannte.« weiterlesen

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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Ein Gedanke zu „Well (s)potted: Lulas WM-Gedanken (9)

  1. Claudia

    Tolle Einschätzung! Schade um Ken Doherty, dass er es am Ende wirklich nicht geschafft hat. Er war und wird auch nie der große Break-Builder sein, deshalb ist es immer schwierig für ihn die Oberhand zu gewinnen.

    Der Auszug aus dem Roman liest sich wunderbar. Man erkennt nach wenigen Sätzen, an wen die Beschreibung angelehnt ist ;) Sehr schön ist, dass die Worte „Zärtlichkeit“ und „Behutsamkeit“ gefallen sind, denn genau das sieht man bei Ronnie immer wieder! Auch wenn es bei dem Raubein kaum zu glauben ist.

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