Fan Zhengyi mit Überraschungssieg beim European Masters

Ronnie O Sullivan und Fan Zhengyi vor dem Finale des European Masters. Zwischen ihnen steht die Trophäe, um die sie spielen.
Ronnie O'Sullivan und Fan Zhengyi vor dem Finale. © World Snooker/Tai Chengzhe

In seinem ersten Finale gewinnt Fan Zhengyi seinen ersten Titel. Im Finale des European Masters setzt sich Fan mit 10–9 gegen Ronnie O’Sullivan durch. Neben dem Titel und der Trophäe gewinnt Fan 80.000 Pfund Preisgeld.

Vor dem Turnier stand Fan Zhengyi auf Platz 80 und drohte damit am Ende der Saison von der Tour zu fallen. Von dieser Sorge hat er sich mit dem Sprung auf Platz 31 nun endgültig befreit. Und eine hübsche Trophäe und ein Platz beim Champion of Champions im Herbst gibt es für den 21-Jährigen auch noch dazu. Wie Jordan Brown im Vorjahr bei den Welsh Open gelingt Fan Zhengyi dieser Coup mit einem nervenstarken Sieg im Decider gegen niemand Geringeren als Ronnie O’Sullivan.

Verhaltener Start am Nachmittag

In seinem ersten Finale fiel es Fan Zhengyi zunächst schwer, an seine guten Leistungen aus den Runden zuvor anzuknüpfen. Aber auch Ronnie O’Sullivan machte viele ungewöhnliche Fehler. Zur Pause hatten sie sich die Frames geteilt. Insgesamt schien Fan Zhengyi der Gelassenere der beiden zu sein. Er konnte die Fehler seines Gegners besser bestrafen und ging folgerichtig mit 4–2 in Führung. Im folgenden Frame hatte O’Sullivan die erste Chance. Abermals gelang es ihm nicht, den Frame aus einer guten Chance zu gewinnen. Doch diesmal glückte es Fan nicht, diese Schwäche auszunutzen. Im Break aus guter Position verschoss er eine leichte Schwarze vom Spot. O’Sullivan holte den Frame.

Im letzten Frame der Session kam O’Sullivan erstmals in ein flüssiges Break. Ihm war es dann wohl schon zu flüssig. Er unterbrach sich selbst, um dem Publikum zu erklären, dass es jetzt sehr störend wäre, wenn sich jemand in seinem Sichtfeld bewegte. Trotz des Kampfes mit nicht-vorhandenen bewegenden Problemen, konnte er den Frame sichern. Ein insgesamt glückliches 4–4 für Ronnie O’Sullivan. Fan Zhengyi hatte hier gute Chancen verpasst, eine höhere Führung herauszuspielen.

Mit Centuries in die Nacht starten

Der Abend begann, wie der Nachmittag aufgehört hatte. Ronnie O’Sullivan war vornehmlich mit Dingen beschäftigt, die ihn potenziell ablenken könnten. Allerdings bekam er auch reichlich Zeit, über diese Dinge nachzudenken. Nach seinem Break-off verbrachte er zunächst viel Zeit auf seinem Stuhl. Mit seinem ersten Stoß des Abends lochte Fan Zhengyi eine tolle lange Rote. Dann entwickelte er die Roten und spielte letztlich mit einer Total Clearance von 135 Punkten das höchste Break seiner Profikarriere. Nachdem O’Sullivan im folgenden Frame seine Chance nicht nutzen konnte, ließ Fan prompt eine 110 folgen. Für die hohen Breaks war in diesem Finale bis dahin nur einer zuständig: Fan Zhengyi.

Fan Zhengyi war zu diesem Zeitpunkt klar der bessere Spieler, aber Ronnie O’Sullivan entschied sich, nicht aufzugeben und kämpfte. In den folgenden Frames hatten beide Spieler Chancen. Aber am Ende machte O’Sullivan aus seinen ein paar Punkte mehr. Abermals gelang es ihm auszugleichen.

Es blieb eng im Finale des European Masters

Nach der Pause sah es so aus, als könne es zu einer Wende kommen. O’Sullivan lag im Frame zunächst vorne, doch Fan war im Break und dabei den Frame zu stehlen. Beim Stellen auf Gelb verschoss er eine leichte Schwarze. Die geschenkte Gelegenheit, erstmalig nach dem 1–0 wieder in Führung zu gehen, konnte O’Sullivan nicht nutzen. Auf einen Stellungsfehler folgte eine verschossene Braune. Fan Zhengyi litt offensichtlich an einem akuten Ausfall seines Kurzzeitgedächtnisses, denn er lochte eine starke Braune gefolgt von einer noch stärkeren Blauen. Als wäre das mit der verschossenen Schwarzen kurz zuvor gar nicht passiert.

Es folgte ein Frame mit ein paar Fehlern beider Spieler und ein paar Kuriositäten. Als wäre nicht schon genug gegen O’Sullivan gelaufen, beging er auch noch ein Kleiderfoul. Er verlor letztendlich den Frame, nachdem er die letzte Rote als Fluke gelocht hatte, statt einen Snooker für notwendige Foulpunkte zu legen. Erneut betrug Fans Vorsprung zwei Frames.

Und dann spielte Ronnie O’Sullivan aus dem Nichts ein Century. Eigentlich ein obligatorisches Element jedes seiner Matches, doch in diesem Finale kam es zu dem Zeitpunkt komplett unerwartet. Seit dem 2–2 hatten sie immer schön abwechselnd zwei Frames gewonnen. Folglich gewann O’Sullivan dann auch den deutlich umkämpfteren 16. Frame zum 8–8 Zwischenstand. Nun musste O’Sullivan das Gesetz der Serie brechen, um das Finale gewinnen zu können.

Drei Chancen für zwei Frames zum ersten Titel

In den beiden folgenden Frames bekam Fan jeweils eine gute Chance, nachdem O’Sullivan das Bild auf dem Tisch früh öffnete, dann jedoch einen schweren Ball zur Fortsetzung des Breaks verschoss. In Frame 17 spielte Fan aus dieser Gelegenheit eine 82. Im Frame darauf verpasste er seine erste gute Chance, um Match und Titel sicher zu machen. Ronnie O’Sullivan kämpfte noch einmal und spielte ein paar der besten Bälle des Finales, um noch den Decider zu erreichen.

Es wurde also am Ende nochmal richtig spannend. Der Decider startete mit einer ziemlich langen Safetyschlacht auf hohem Niveau. Bis Fan Zhengyi ein kleinerer Fehler unterlief und er die Weiße nicht zur Fußbande zurückholen konnte. Den langen Einsteiger verschoss O’Sullivan allerdings. Dabei hinterließ er einen Einsteiger und ein vielversprechendes Bild für seinen Gegner. Ein absoluter Test für Fan Zhengyis Nervenstärke. Und er bestand ihn mit Bravour. Zwar verpasste er das Century knapp, aber eine 92 sicherten ihm Frame, Match und Titel! Was für eine beeindruckende Leistung.

Ronnie O’Sullivan war voll des Lobes für seinen Gegner, Victoria’s Snooker Academy und chinesichen Snooker im Allgemeinen. Der bessere Spieler habe gewonnen, er habe nur versucht Schritt zu halten und ihm ein Match zu liefern. Fan sagte, sein Sieg gegen Kyren Wilson habe ihm Selbstvertrauen gegeben. Im Finale habe er sich keinen Druck gemacht, da er nicht der Favorit war. Er habe einfach versucht, sich auf jeden Frame zu konzentrieren. Das Finale ausgerechnet gegen Ronnie O’Sullivan zu gewinnen, sei ein wahrgewonnener Traum:

European Masters kein gutes Pflaster für Topstars

Die Zeichen beim European Masters standen von Anfang an auf Überraschung. In der ersten Hauptrunde schied Titelverteidiger Mark Selby gegen Jordan Brown aus. Und wie bei fast allen Ranglistenturnieren diese Saison, ließ es sich Judd Trump nicht nehmen, genau eine Runde später solidarisch ebenfalls nach Hause zu fahren. In derselben Runde schieden auch Kyren Wilson (gegen Fan Zhengyi), John Higgins, Barry Hawkins und Neil Robertson aus. Letzterer hatte von seiner zuletzt herausragenden Form nichts eingebüßt, traf aber auf einen ebenfalls brillant spielenden Pang Junxu. Pang hatte sich ja schon in seiner Debüt-Saison als Favoritenschreck einen Namen gemacht. In der folgenden Runde scheiterte er jedoch an David Gilbert.

Am Ausscheiden der Mitfavoriten war Zhengyi maßgeblich beteiligt. Auf seinem Weg ins Finale warf er nicht nur Kyren Wilson aus dem Turnier, sondern auch Ex-Weltmeister Graeme Dott, David Gilbert und Yan Bingtao. Auf dem Papier hatte Ronnie O’Sullivan den leichteren Weg ins Finale. Er spielte die Woche aber auch so, als hätte ihn nichts und niemand von seinem Durchmarsch abhalten können.

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

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